Haushaltsplan nur unvollständig vorgelegt - Rechte des Stadtrates eingeschränkt

Alzey (neu) - Die Grünen haben in ihrer Haushaltsrede scharf kritisiert, dass der Haushalt für 2019 dem Stadtrat nur noch unvollständig vorgelegt wurde. Von 153 Haushaltsposten („Produkte / Leistungen“) werden nur noch 65 dargestellt. Auch wenn das (erst mal für dieses Jahr?) 3% des Haushaltsvolumens betrifft, handelt es sich nicht um Kleinigkeiten.

Hier geht es um die elementaren Haushaltsgrundsätze der öffentlichen Haushalte. Diese werden von der Verfassung bis zur Gemeindeordnung herunter dekliniert. Nach dem Rechtsverständnis der Grünen werden mit dem aktuellen Haushalt wichtige dieser Regeln missachtet – nämlich die der Vollständigkeit und Einheit.

In ihrer Haushaltsrede erläutern die Grünen diese Grundsätze. Wenn Mitglieder in kommunalen Räten, in Landtagen oder im Bundestag die Haushalte nur noch verkürzt in Teilen vorgelegt bekommen, ist keine verantwortungsvolle Haushaltsarbeit mehr möglich. Und die ist grundlegend für ein demokratisches Gemeinwesen.


Die Grünen erinnern auch daran, dass dem Stadtrat bei städtischen Gesellschaften und Beteiligungen wesentliche Kontroll- und Steuerungsrechte vorenthalten werden – entgegen Regelungen der Gemeindeordnung. Zu all dem meint die Fraktion: „Das geht uns nun wirklich über die Hutschnur!“

Deshalb lehnten die Grünen Jochen Hinkelmann und Detlev Neumann den Haushalt 2019 ab. Der Vertreter der Linken, Kemal Gülcehre, kritisierte entschieden vor allem, dass die Stadt ohne Bauchgrimmen die Einnahmen der Vergnügungssteuer aus Automatenglücksspiel einstreicht und schloss sich auch der Kritik der Grünen an.


Hier der Redebeitrag der Grünen; ist halt ’n bißchen länger als ’n flotter Kommentar . Dafür aber auch sachbezogen und informativ.

 

 

Haushaltsrede 2019


Wir befürworten nach wie vor wichtige Projekte und Investitionen, durch die Alzey z.B. sozial, ökologisch, kulturell und wirtschaftlich vorangebracht wird.


Wir fassen heute nur mal kurz und unvollständig in Stichworten zusammen:
- Schulsozialarbeit und Streetworker, Erweiterung des Juku durch einen Anbau, Programm soziale Stadt,


- Umsetzung des Alzeyer Klimaschutzkonzeptes durch Energieeinsparungen wie aktuell in der Tiefgarage, aber auch die Ausweitung der Fernwärmeversorgung, Heizungserneuerungen und Wärmedämmung an städtischen Immobilien;


- Citybus und Maßnahmen des Mobilitätskonzeptes, Erleichterungen für Fußgänger- und Radfahrer;
- artenreiche Gestaltung von öffentlichen Grünflächen, ökologisch wertvolle Ausgleichsmaßnahmen und großzügige Renaturierungsmaßnahmen mit Förderung des Landes;

- die kulturell hervorragende und nicht verzichtbare regionalgeschichtliche Arbeit des Museums; die immense Förderung des Lesens und der Bildung durch die Stadtbücherei,

- die Bemühungen, den Einzelhandelsstandort Alzey zu stärken; einen Ausgleich zwischen Innenstadt und „grüner Wiese“ zu schaffen. Ansiedlung von Gewerbe und Industrie – und zwar sozial und ökologisch verträglich.

Das alles und noch einiges mehr unterstützen wir also wie bisher.

Zu vielem gibt es auch Kritik anzumerken, machen wir ja auch immer. Zum Beispiel lehnen wir teure Projekte, jenseits der Prioritätenliste, ab, die bei den geplanten unnötig hohen Kosten offenbar aus wahltaktischer Gefälligkeit beschlossen wurden.
Details lassen wir heute aus Zeitgründen mal weg.

Unser Thema heute ist ein grundsätzliches.

Gestolpert sind wir über eine Neuerung im Haushaltsplan, mit der wir uns ganz und gar nicht anfreunden können. Nämlich mit dem Umstand, dass jetzt der Haushalt in der Darstellung der Haushaltsstellen – doppisch neudeutsch  "Produkte / Leistungen" – drastisch verkürzt wird. Also nicht mehr alle Haushaltsposten aufgeführt werden.


Wir sind da drüber gestolpert, als wir uns ein paar Haushaltsstellen näher ansehen wollten. Im Entwurf vom Dezember waren die alle noch enthalten. Und jetzt: Fehlanzeige, für viele Haushaltsstellen.
Im Vorbericht des Kämmerers wird erläutert, dass gemäß der GemHVO nur noch die „wesentlichen“ Produkte in den Teilhaushalten dargestellt würden:


„Als „wesentlich“ gelten dabei (...) diejenigen Produkte, von denen der größte Einfluss auf das finanzielle Volumen und / oder das finanzielle Ergebnis des Teilhaushalts ausgeht. Zielgröße ist dabei eine deutlich einstellige Anzahl von Produkten je Teilhaushalt. In Anlehnung an bestehende Wesentlichkeitsgrenzen aus dem Jahresabschluss werden nunmehr lediglich diejenigen Produkte dargestellt, deren finanzielles Volumen > 100 T € im Durchschnitt ist. (...) Damit werden lediglich 65 von 153 Produkten dargestellt, jedoch 97 % finanziellen Volumens abgebildet und rund 250 Seiten eingespart.“
(S. 18, 26 PDF-Datei)

Die Kämmerei hat freundlicherweise angeboten, uns Informationen zu den Haushaltsstellen, die nicht mehr dargestellt werden, auf Anfrage zur Verfügung zu stellen. Daran zweifeln wir nicht. Aber mit Verlaub: Das ist ganz und gar nicht praktikabel. Wir müssten aufwendig recherchieren, was wir überhaupt wissen wollen und dann hinter den Informationen her sein.


Vor allem geht es auch nicht darum, was wir Grünen im Detail wissen möchten oder auch nicht. Es geht darum, dass Jeder – jedes Ratsmitglied und vor allem die Öffentlichkeit im Haushalt ohne Verkürzung nachschlagen kann, welche Einnahmen und Ausgaben für welche Zwecke geplant werden. Das geht nur dadurch, dass der Haushaltsplan vollständig dargestellt wird.


Wir leben auch nicht mehr in den Zeiten, da Haushaltspläne in gewichtige Keilschrifttafeln geritzt wurden oder als kiloschwere Papierziegel vorgelegt wurden. Bei einer PDF-Datei sind 250 oder 500 Seiten mehr völlig egal. Wichtig ist, dass alles drin ist, was kassenwirksam ist. Und das ist kein Problem. Das hatten wir ja bisher immer. Selbst in Papierform hat das funktioniert. Das entsprach auch den geltenden Regeln.


Niemand wird gezwungen, einen Haushaltsplan wirklich durchzuarbeiten. Aber jeder muss die Möglichkeit haben, es zu tun. Ohne weitere Umstände. Auch, wenn es sich nur um „kleine“ Beträge handeln sollte.


Um mögliche Missverständnisse oder gar Unterstellungen zu vermeiden sagen wir klipp und klar und deutlich: Unsere Kritik zielt nicht auf die Verwaltung! Unsere Kritik richtet sich an den Gesetzgeber. Der hat in dieser Angelegenheit nach unserer Überzeugung allerdings eine ganz schlechte Arbeit geliefert.
Das sind keine Kleinigkeiten. Hier geht es um die Haushaltsgrundsätze der öffentlichen Haushalte. Nach unserem Rechtsverständnis werden hier wichtige Regeln missachtet – nämlich die der Vollständigkeit und Einheit .


Prof. Christoph Gröpl von der Uni Saarbrücken schreibt in seinem Aufsatz „Transparenz im Haushaltsrecht“ zu den Haushaltsgrundsätzen der Vollständigkeit und Einheit:


„- Vollständigkeit: Alle Ausgaben48 und Einnahmen sind zu veranschlagen49;
- Einheit: Veranschlagt wird in einem einzigen Haushaltsplan.
Diese Gebote tragen unmittelbar zur Haushaltstransparenz bei: (...)
Insbesondere dürfen Haushaltsmittel nicht verheimlicht werden, indem sie keine Aufnahme in den Haushaltsplan finden.“ (S. 11)


Der Verfassungsgerichtshof des Landes hat in einem Urteil vom 26. Mai 1997 ausgeführt:
„Der Haushaltsplan darf nicht lückenhaft sein und nichts verschleiern. Er muss transparent machen, wo und in welcher Höhe veranschlagte Einnahmen ihren Entstehungsgrund haben, aber auch, in welcher Höhe Ausgaben für welchen Zweck voraussichtlich anfallen.“ (S. 12)


Die Haushaltsgrundsätze gelten vom Bund bis hin zur Gemeindeordnung. Dort heißt es in § 96:
„(3) Der Haushaltsplan enthält alle im Haushaltsjahr für die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde voraussichtlich 1) anfallenden Erträge und eingehenden Einzahlungen, 2) entstehenden Aufwendungen und zu leistenden Auszahlungen, 3) notwendigen Verpflichtungsermächtigungen.“


Wir wollen nichts anderes erreichen, als dass der Haushalt wieder vollständig und nachvollziehbar dargestellt wird. Das ist mit der heutigen Vorlage nicht der Fall.


Und leider steht das in einer ganzen Reihe von Tendenzen zur Marginalisierung und Selbstentwertung des Stadtrats.

Nur ein paar Kostproben: Ein Antrag unserer Fraktion, der zuvor bereits zwei Mal im Rat diskutiert wurde, wird plötzlich zur Sache der laufenden Verwaltung erklärt.


Bei städtischen GmbHs vertreten Bürgermeister und die Mehrheit des Rates die Auffassung, dass es keine Weisungen an die Mitglieder im Aufsichtsrat geben darf. Alles soll hinter verschlossenen Türen diskutiert werden? Das wäre ein merkwürdiges Demokratieverständnis.


Die Gemeindeordnung § 87 schreibt sogar vor, dass bei GmbHs sichergestellt sein muss, „dass der Gemeinderat den von der Gemeinde bestellten oder auf Vorschlag der Gemeinde gewählten Mitgliedern des Aufsichtsrats Weisungen erteilen kann.“


Noch ein Beispiel: Die Fusion von e-rp und EWR zu einer Aktiengesellschaft. In der Gemeindeordnung (§ 87) heißt es:
„Die Gemeinde darf (...) wirtschaftliche Unternehmen (...) in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft nur errichten, übernehmen, wesentlich erweitern oder sich daran beteiligen, wenn der öffentliche Zweck nicht ebenso gut in einer anderen Rechtsform erfüllt wird oder erfüllt werden kann.“

Damit sind GmbHs gemeint und es muss nachgewiesen werden, dass eine AG sozusagen „erforderlich“ ist. Uns ist von einem solchen Nachweis nix bekannt. Die Folge: Verlust von Einfluss des Stadtrats.


Das Sahnehäubchen ist aber die Alzeyer Erschließungsgesellschaft EGA. Hier gibt es nicht einmal mehr einen Aufsichtsrat, nicht einmal eine Informationspflicht. Kein Aufsichtsrat - keine Kontroll- und Steuerungsrechte für den Stadtrat. Und nun wird der HH um gut 240 Seiten verkürzt dargestellt. Wie gesagt, keine Schuld der Verwaltung. Trotzdem ein weiteres Puzzlesteinchen in diesem Spiel der schleichenden Marginalisierung und Entdemokratisierung. Das geht uns nun wirklich über die Hutschnur.

Daher stimmen wir dem Haushalt für 2019 nicht zu.


Wie gesagt, nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern weil elementare Haushaltsgrundsätze nicht erfüllt werden. Wir wollen hier einfach mal ein Ausrufezeichen setzen. Der Stadtrat ist die Repräsentanz der Bürgerschaft. Wir wollen nicht, dass er zu einem schlecht informierten Gremium der Abnicker mutiert.
Wie anfangs gesagt, werden wir weiterhin konstruktiv an den unterstützenswerten Projekten mitarbeiten.
Der Kämmerei danken wir für die Ausarbeitung des Haushaltsplans und für die immer gerne und schnell erteilten Informationen.


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