Fusion von e-rp und EWR: Stadtrat will Vorrang der Wirtschaft

Alzey (14.05. 2018) – neu – Der Stadtrat hat in nichtöffentlicher Sitzung der Fusion von e-rp und EWR zugestimmt. In öffentlicher Sitzung wurden die Gesellschaftsverträge und Satzungen dazu beschlossen. Lediglich die Grünen stimmten dagegen – nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern, weil schwere demokratische Defizite bestehen. Politische Kontrolle – Fehlanzeige!

 

Erinnerungsfoto: e-rp im Mai 2018. Bald prangt dort oben das Logo "EWR"

Der Stadtrat hat keine Möglichkeit, das neue Unternehmen EWR AG im Sinne des öffentlichen Auftrages zu steuern. Die beteiligen Kommunen haben zwar die Mehrheit der Anteile, doch die Rechtsformen des Unternehmens schließen aus, dass die Stadträte ihren Vertreterinnen im Unternehmen Richtlinien und Weisungen erteilen können. Ein folgenschweres Demokratiedefizit bei einem Unternehmen von rund 530 Mio. EUR Umsatz (e-rp plus EWR heute), das wichtige Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge ausübt und diesen Einfluss weiter ausbauen will.

- In einer Aktiengesellschaft sind Aufsichtsrat und Vorstand an keine Weisungen gebunden. Kommunale Anteile oder gar Mehrheiten spielen dabei keine Rolle.

- Die GmbHs der EWR AG, in denen das operative Geschäft getätigt wird, haben keinen Aufsichtsrat. Daher ebenfalls keine Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten für den Stadtrat. Das belegen Passagen aus den Verträgen und Satzungen. Die Gemeindeordnung und der Kommentar zur Gemeindeordnung treffen zum Thema Weisungsrecht und Defizite bei der Einflussnahme der Räte klare Aussagen.

Auffallend bei den Redebeiträgen der meisten anderen Fraktionen war, dass man betonte, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen wegen der Fusion gibt und die Mitarbeiterrechte auf den neuen Konzern übergehen. Das ist richtig, aber nur die halbe Wahrheit. Für den künftigen Standort Alzey der EWR Netz GmbH werden 90 – 105 Mitarbeiter genannt; die gesamte e-rp hat aktuell 130 Mitarbeiter. Die Grünen wollten wissen, wie die Mitarbeiterzahl in Alzey und Gesamtkonzern (heute ca. 630) mittelfristig aussehen soll. Dazu konnte oder wollte man keine Zahlen nennen. Es wurde aber klar gesagt, dass die Einspareffekte beim neuen Konzern nicht zuletzt durch Stellenabbau erreicht werden. Wenn eine Stelle frei wird – durch Vertragsablauf oder Ruhestand – wird möglichst gestrichen werden. Die versprochene „Wichtige regionale Positionierung als Arbeitgeber“ wird dadurch doch etwas relativiert ...

Dazu der Redebeitrag der Grünen:

"Die Fusion zur neuen EWR AG wird als wirtschaftlich sinnvoll dargestellt, kann ja sein. Die wirtschaftliche Seite ist nur ein Aspekt. Völlig außer acht gelassen wurde die Frage der demokratischen Kontrolle eines Unternehmens mit kommunaler Mehrheit. Das ist für uns der Knackpunkt. Die demokratische Kontrolle liegt bei einer AG nämlich bei Null. Das betrifft alle Bereiche – ob Unternehmensstrategie, Preisgestaltung, mittel- und langfristig Abbau von Arbeitsplätzen, Klimaschutz und, und, und: Die demokratische Kontrolle liegt bei Null.

Zur Erinnerung: Wir hatten gegen die Gründung der Erschließungsgesellschaft „EGA GmbH“ gestimmt. Warum? Weil die GmbH keinen Aufsichtsrat hat. Damit hat der Stadtrat keinerlei Kontroll- und Steuerungsrechte in und gegenüber dieser Gesellschaft. Bei einer GmbH hätten Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten geschaffen werden können. Die Gemeindeordnung § 87 schreibt sogar vor, dass bei GmbHs sichergestellt sein muss, „dass der Gemeinderat den von der Gemeinde bestellten oder auf Vorschlag der Gemeinde gewählten Mitgliedern des Aufsichtsrats Weisungen erteilen kann.“ Aber: Kein Aufsichtsrat - Keine Kontroll- und Steuerungsrechte für den Stadtrat. Daher unser Nein zu dieser Konstruktion.

Bei der Fusion e-rp und EWR geht es um eine Aktiengesellschaft. Und da ist schon die Rechtslage für den Stadtrat zappenduster. Man kann es kurz und knapp sagen: „Mir habbe nix mehr zu melde.“

Die kommunalen Vertreterinnen in der AG sind ausschließlich dem Wohl des Unternehmens verpflichtet. Sie unterliegen keinen Weisungen. Sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die GmbHs, welche das operative Geschäft erledigen, haben – wie beim Negativbeispiel Erschließungsgesellschaft Alzey – keinen Aufsichtsrat.

Hier gilt von vorneherein: Keine Kontroll- und Steuerungsrechte für den Stadtrat. Statt sich auf verlässliche verbriefte Rechte stützen zu können, wie im Rechtsstaat üblich, ist man auf Good-Will und Gunsterweise angewiesen.

Die neue EWR AG will ja nicht nur Energie liefern. Es geht ja in Zukunft um viele weitere Geschäftsfelder, nicht zuletzt in der öffentlichen Daseinsvorsorge oder im Bereich Big-Data. Und das wird ohne Kontroll- und Steuerungsrechte für die kommunalen Gremien ablaufen. Es wird hier praktisch die Privatisierung von ganz wichtigen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge betrieben.

Um es auf den Punkt zu bringen abschließend leicht gekürzt ein Absatz aus der Gemeindeordnung zur AG und Ausführungen dazu im Kommentar zur Gemeindeordnung.

GemO § 87 – Unternehmen in Privatrechtsform:

„(2) Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen sowie Einrichtungen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft nur errichten, übernehmen, wesentlich erweitern oder sich daran beteiligen, wenn der öffentliche Zweck nicht ebenso gut in einer anderen Rechtsform erfüllt wird oder erfüllt werden kann.

Der Kommentar zu § 87 GemO sagt unmissverständlich, klipp und klar:

„Wegen der herausgehobenen Stellung des Vorstandes und des Aufsichtsrats … sind die rechtlichen Möglichkeiten der Gemeinde, eine AG im Sinne der Erfüllung des öffentlichen Zwecks des Unternehmens zu steuern, begrenzt. Dem Vorstand obliegen weitreichende Kompetenzen. Er leitet die Gesellschaft in eigener Verantwortung (§ 76 AktG). Beschränkungen sind im Innenverhältnis nur eingeschränkt möglich, im Außenverhältnis überhaupt nicht. … Die Gemeinde als Anteilseigner hat nur geringe Möglichkeiten, Einfluß auf den Vorstand zu nehmen. Der mit Kontroll- und sonstigen Innenrechtsbefugnissen ausgestattete, von der Hauptversammlung zu bestellende Aufsichtsrat ist nicht an Weisungen der Gemeinde gebunden. Damit wird deutlich, daß der Verselbständigungsgrad der AG gegenüber der Gesellschafterin Gemeinde sehr weitgehend ist. Wegen dieses gesellschaftsformbedingten Einflußnahmedefizits bei der AG wird in der Regel davon auszugehen sein, daß die AG nicht als geeignete Unternehmensform eines kommunalen Unternehmens in Betracht kommt. Will die Gemeinde eine Aktiengesellschaft errichten, übernehmen oder sich daran beteiligen, hat sie den Nachweis zu führen, daß der öffentliche Zweck dieses Unternehmens nicht ebenso gut in einer anderen Rechtsform, etwa in der Rechtsform einer GmbH, erfüllt wird oder erfüllt werden kann.“ (Komm. zu § 87, S. 11)

Daher keine Zustimmung zur Fusion."

(Detlev Neumann)

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