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Alzey - Nach einer langen und kontroversen Debatte von fast zwei Stunden wurde vom Stadtrat am 9.12. ein gemeinsamer Antrag und eine Resolution von SPD, GRÜNEN, LINKEN und FDP "Den Klimanotstand abwenden - Klimademokratie stärken!" mit 16 Ja-Stimmen gegen 15 Nein-Stimmen von CDU, FWG und Bürgermeister Burkhard angenommen. Für die AntragstellerInnen ein beachtlicher Fortschritt bei künftigen Maßnahmen zum Klimaschutz, trotz des heftigen Widerstands gegen den Antrag. Der Antrag und die Resolution beruhen auf einem Entwurf der Alzeyer Gruppe Fridays for Future und dem Beschluss der Stadt Konstanz zum Klimanotstand. (https://gruene-alzey-worms.de/gruene-im-landkreis/stadtratsfraktion-alzey/alzey-aus-der-ratsarbeit-2019/expand/738279/nc/1/dn/1/).
Plakat bei Klimastreik von Fridays for Future in Alzey
In der Resolution werden allgemein gehaltene Absichtserklärungen formuliert, welche die künftige fachliche und sozialpolitische Ausrichtung der Stadt in Angelegenheiten des Klimaschutzes umreißen sollen.
Für die AntragstellerInnen erläuterte Grünen-Fraktionssprecher Detlev Neumann ausführlich die einzelnen und auf Alzeyer Verhältnisse konkretisierten sechs Punkte des Antrags. Damit sollen wichtige Weichenstellungen für mehr Klimaschutz erreicht werden: Möglichst klimaneutrale Energieversorgung von Neubauten, Mobilitätsmanagement für die Gesamtstadt, Klimaschutzmanagement für die Stadt Alzey, Maßnahmen zur Erhöhung der Sanierungsrate im Stadtgebiet, Teilnahme am European Energy Award, Ausweitung des Energie- und Klimakonzepts. Die einzelnen Punkte stellen gewissermaßen Grundsatzbeschlüsse zu verschiedenen Klimaschutzmaßnahmen dar. Diese sollen von der Verwaltung bearbeitet und dem Stadtrat wieder zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt werden.
Für die SPD legten sich in der heftig geführten Debatte Fraktionsvorsitzende Stephanie Jung für den Antrag ins Zeug, tatkräftig unterstützt von Kemal Gülcehre, Fraktionsvorsitzender LINKE, Hans-Hartwig Augustin, Ratsmitglied der FDP, und Danny Behrendt, GRÜNE.
Bürgermeister Burkhard, CDU und FWG ließen sich durch die sachlichen Erläuterungen wenig beeindrucken. Bei allen Beteuerungen, man wolle selbstverständlich Klimaschutz, war die Ablehnung des Antrags klar ersichtlich. Etliche Aussagen zum Antrag waren falsch, so zum Beispiel, die Befürchtung, dass man zum Benutzen des ÖPNV gezwungen werden könnte. Andere waren haltlose Unterstellungen, zum Beipiel „Alzey solle nun die Welt retten“. Andere Aussagen stellten den Antrag auf den Kopf, wie man wolle den Klimanotstand ausrufen. Anderes hatte mit dem Antrag nichts zu tun.
Bürgermeister Burkhard machte, wie schon im Ausschuss, deutlich, dass er den Antragsteil ablehnte. Er sah darin eine zu starke Bindung der Verwaltung, die damit keinen Ermessensspielraum mehr habe. Allerdings teilte die Stadtverwaltung Konstanz auf Nachfrage der Grünen mit, dass man das nicht so sehe. Dort, so die Grünen, werden die Beschlüsse Zug um Zug, nach Recht und Gesetz umgesetzt - sozusagen als business as usual mit besonderem Auftrag. Antrag und Resolution wurden dort unter Vorsitz eines CDU-Oberbürgermeisters einstimmig beschlossen.
Sachlich begründete Änderungswünsche hätten umgesetzt werden können. Einer zum Mobilitätsmanagement wurde übernommen. Die von der FWG als "Kompromiss" vorgeschlagene Streichung aller sechs fachlichen Ausführungen im Antrag konnte allerdings nicht akzeptiert werden, da durch diese Kürzung der Antrag auf die sehr allgemeinen Willensbekundungen der Resolution begrenzt worden wäre. Deshalb entschieden sich die AntragstellerInnen einstimmig, die vorgelegte Form zur Abstimmung zu bringen.
Redebeitrag der Grünen zum Antrag:
Die Meldungen der letzten Monate aus der Klimaforschung könnten kaum dramatischer sein. Der Ausstoß an Kohlendioxid lag 2018 höher als je zuvor. Die globale Durchschnittstemperatur steigt weiter und bringt Hitze- und Dürrerekorde. Das Meereis in der Arktis geht immer mehr zurück. Der Eisschild der Antarktis verliert heute fünfmal so schnell Eis wie noch 1990 (1). Der Meeresspiegel wird dadurch gefährlich steigen. Die riesigen Flächen der Permafrostgebiete beginnen aufzutauen. Gigantische Menge bislang gebundenen Kohlenstoffs würden dann als Kohlendioxid und als besonders klimaschädliches Methan frei. Dieser Prozess gilt als einer der möglichen Kipppunkte beim Klimawandel, durch den der Prozess drastisch beschleunigt und unumkehrbar werden könnte, selbst wenn der globale Temperaturanstieg gebremst würde.
In einer Stellungnahme warnen gut 11.000 Wissenschaftlern im November vor einem Klimanotfall. Der Appell zeigt im Überblick in einer Reihe von Grafiken die dramatische Entwicklung von zentralen Parametern des Klimawandels seit 1980. (Link unten). Der Globale Klima-Risiko-Index 2020 von Germanwatch berichtet, dass Japan, die Philippinen und Deutschland 2018 am stärksten von Extremwetterereignissen betroffen waren.
Alle diese Berichte von WissenschaftlerInnen sprechen die Fakten ohne jede Panikmache klar aus: Entschiedenes und schnellstes Handeln auf allen Ebenen ist dringend erforderlich, um eine Klimakatastrophe noch abzuwenden. Die Werkzeuge zum Eingreifen funktionieren und sie liegen längst bereit. Sie müssen jetzt auch endlich angepackt werden.
Noch kurz etwas zum Verfahren beim Antrag. Das Ganze ist ja ein zweistufiger Prozess. Heute beschließen wir gewissermaßen als Grundsatz, das die einzelnen Punkte ausgearbeitet werden. Das ist Aufgabe der Verwaltung. Wenn das geschehen ist, dann geht jedes Thema wieder in den Stadtrat. Die Details stehen also heute noch nicht zur Debatte. Sie werden dem Rat noch vorgelegt und diskutiert.
(Detlev Neumann)
Links:
https://www.de-ipcc.de/128.php
https://www.scientistswarning.org/wp-content/uploads/2019/11/SW-Climate-Emergency.pdf
https://germanwatch.org/de/16046
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